Dr. Nadjib Sadikou: Kultur ist dynamisch und wandelbar

(Köln, 20.05.2015) Am Mittwochabend ging die Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten“ in die zweite Runde. Dr. Nadjib Sadikou, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Seminar der Universität Tübingen, hielt in den Vereinsräumlichkeiten des Interkultureller Dialog (ikult e.V.) vor ca. 35 Personen einen Vortrag zum Thema „Transkulturalität“. Gemeinsam mit der ersten Sitzung, in der Dr. Susanne Spülbeck erläuterte „Wie Vorurteile entstehen“, dient der Vortrag von Dr. Sadikou für die Teilnehmer der Gesprächsreihe als eine theoretische Basis für die kommenden Sitzungen, in der verschiedene ‚Lebens- und Glaubenswelten‘ präsentiert werden.

Dağdelen und Sadikou

Hasan Dağdelen und Dr. Nadjib Sadikou

Nachdem Hasan Dağdelen, Geschäftsführer des ikult e.V., die Teilnehmer der Veranstaltung mit freundlichen Worten begrüßte, stellte er den Referenten des Abends mit folgenden Worten vor: „Herr Dr. Nadjib Sadikou stammt aus dem Benin und ist in einem interkulturellen Umfeld von verschiedenen Sprachen, Ethnien und Religionen aufgewachsen. Deshalb ist er als Referent für unsere Gesprächsreihe äußerst geeignet, da diese den Titel ‚Lebens- und Glaubenswelten‘ trägt. Herr Sadikou war im internationalen und interdisziplinären Projekt ‚Wertewelten‘ der Universität Tübingen tätig“, so Dağdelen.

Transkulturalität

In seinem Vortrag stellte Dr. Sadikou das Konzept der ‚Transkulturalität‘ vor. Wolfgang Welsch sei der Wegbereiter von diesem Konzept und erkläre, dass Kulturkreise und Kulturen von gegenseitigen Verwischungen betroffen seien. Das heiße nicht, dass eine Globalkultur im Entstehen begriffen sei, sondern vielmehr, dass Individuen transkulturelle Elemente sowie Bestandteile von ganz unterschiedlichen Kulturkreisen hätten. Deshalb sei jedes Individuum auf eine besondere Weise transkulturell. Dies habe auch mit historischer Entwicklung zu tun, da selbst unsere Ahnen kulturelle Vermischungen erlebt hätten.

Die Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland“ fokussiert sich auf Bereiche, die äußerst interessant sind, da sie gesellschaftliche Entwicklungen unter die Lupe nimmt.

Dr. Nadjib Sadikou

Kultur

In Anlehnung an den Ansätzen von Terry Eagleton und Tzvetan Todorov erläuterte Sadikou, dass Kultur dynamisPublikumch und wandelbar sei, also keineswegs statisch. Zudem seien Kulturen vielfältiger geworden, da die Welt heute vielschichtiger sei als jemals zuvor. Daneben erklärte Dr. Sadikou, dass kulturelle Zuschreibungen unangebracht sind, da sie komplett unzutreffend sein können. So könnten sich ganz andere kulturelle Hintergründe einer Person feststellen lassen, wenn man sie näher begegnet, als die anfänglichen Zuschreibungen es erlaubten. Oft passiere es, dass Menschen sich in ihrer Wahrnehmung irren. Transkulturelle Elemente seien in den Individuen bereits vorhanden, doch diese nehme man oftmals nicht wahr.

Abschließend stellte Dr. Sadikou den Roman „Selam Berlin“ der türkischstämmigen Autorin Yade Kara vor. Das Buch passe gut zur Gesprächsreihe, da es die Wahrnehmung des Anderen thematisiere und ein geeignetes Beispiel für Interreligiosität und Transkulturalität sei. In dem Roman sei der Protagonist Hasan zwischen Berlin und Istanbul, also zwei ganz unterschiedlichen Kulturen, hin und hergerissen und versucht, die beiden Räume ineinanderfließen zu lassen.

Transkulturalität bedeutet, dass Menschen nicht eine, sondern mehrere Zugehörigkeiten haben. Menschen beherbergen verschiedene Facetten der Kultur und Identität in sich.

Dr. Nadjib Sadikou

Anschließend fand eine Fragerunde statt, in der die Teilnehmer eine rege Diskussion über das Konzept der Transkulturalität führten.

Gesprächsreihe: „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland“

Der Interkultureller Dialog e.V. lädt gemeinsam mit der Kölner Hochschulvereinigung Young Academics zur Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“ ein. Die Sitzungen des Projekts werden in der Universität zu Köln und in unseren Vereinsräumlichkeiten stattfinden.

In der Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“ werden Auffassungen über verschiedene Identitäten und Lebensformen unserer Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf diese behandelt. Durch Vorträge von Vertretern verschiedener Lebens- und Glaubenswelten und anschließenden Gesprächsrunden erhalten TeilnehmerInnen Einblicke in die ihnen unbekannten Lebenswelten.

In einer von Pluralität geprägten Gesellschaft werden Menschen immer wieder und intensiver mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Die Tatsache, dass die Welt zu einem globalen Dorf zusammengewachsen ist, verstärkt dieses Phänomen. Menschen verlassen ihre Heimat und versuchen sich in neuen Kulturen und Gesellschaften einzuleben. Die dabei entstehenden Sozialisationsprozesse bedürfen der enormen Anstrengung beider Seiten.

Insbesondere Deutschland steht vor der Herausforderung der Inkulturation verschiedener Lebens- und Glaubenswelten wie die der Muslime. Die Wiederholung des Wulffzitats „Der Islam gehört zu Deutschland“ durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die damit verbundenen Reaktionen der Öffentlichkeit, zeigen die Brisanz dieser Thematik. Deutschland tut sich schwer mit kultureller Vielfalt.

Der kulturelle und gesellschaftliche Wandel, der durch Interaktion zwischen verschiedenen Lebens- und Glaubenswelten entsteht, stellt jeden Einzelnen vor große Herausforderungen. Die Entstehung von Vorurteilen, Diskriminierungen, Rassismus und Überfremdungsängsten kann dabei vielschichtige Gründe haben. So wundert es nicht, dass es zu gesellschaftlichen Reibungen kommt, die sich in jüngster Zeit besonders in Form der Pegida-Demonstrationen und den Ausschreitungen zwischen rechtsradikalen Hooligans und Salafisten gezeigt haben. Auch die Pariser Anschläge auf Charlie Hebdo wurden letztlich von Menschen verübt, die in der „europäischen Gesellschaft“ sozialisiert wurden.

Die Veranstalter möchten dieses Thema auf der Basis wissenschaftlicher Vorträge vertiefen. Die Intention der Gesprächsreihe ist, verschiedene Identitäten der unterschiedlichen Lebens- und Glaubenswelten einen Raum zur Selbstdarstellung zu bieten. Damit soll das vermeintlich „Fremde“ durch direkten Wissensaustausch „bekannter“ werden. In der Gesprächsreihe werden also folgenden Fragestellungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt: Wie entstehen Vorurteile? Wer ist der „Andere“ und wie sieht sein Alltag aus? Was denkt er über mich? Welches Gesellschaftsmodell passt zu uns? Anschließende Diskussionsrunden werden uns die Möglichkeit geben, von den Ideen und Erkenntnissen unserer Gäste profitieren zu können.

Es ist den Veranstaltern bewusst, dass im Rahmen des Projekts die Vielfalt von Lebens- und Glaubenswelten im Ganzen nicht wiedergegeben werden kann. Die ausgewählten Vorträge stellen daher nur einen Teil der Realität dar und sollen nur einen Einblick gewähren.

Wir Laden Sie alle herzlich zu unserer Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“ ein.

Vorträge

  1. „Wie entstehen Vorurteile?“ von Dr. Susanne Spülbeck am 21.04.2015
  2. „Transkulturalität“ von Dr. Nadjib Sadikou am 20.05.2015
  3. „Katholisch sein in Deutschland“ von Dr. Thomas Lemmen am 03.06.2015
  4. „Roma und Sinti sein in Deutschland“ von Merfin Demir am 09.06.2015
  5. „Evangelisch sein in Deutschland“ von Pfr. Dorothee Schaper am 17.06.2015
  6. „Muslimisch sein in Deutschland“ von Dr. Ismail Hakkı Yavuzcan am 25.06.2015
  7. „Jüdisch sein in Deutschland“ von Rabbiner Jehoschua Ahrens am 20.10.2015

Beachten Sie auch die Projektseite zur Gesprächsreihe.