Prof. Bukow: „Die jüngsten Ereignisse haben uns geholfen, die Hizmet-Bewegung besser zu verstehen“ (ZAMAN, 23.01.2015)

Ziver Ermiş schreibt in der ZAMAN am 23.01.2015 über die vom Interkultureller Dialog e.V. (ikult e.V.) organisierte Besprechung und Diskussion der neuen Publikation Fethullah Gülens „Was ich denke, was ich glaube“ unter dem Titel: „Prof. Bukow: Die jüngsten Ereignisse haben uns geholfen, die Hizmet-Bewegung besser zu verstehen“.

Die Veranstaltung fand in den neuen Räumlichkeiten des Interkultureller Dialog e.V. am Kaiser-Wilhelm-Ring in Köln statt. Die eingeladenen Referenten waren der Vorsitzende der Stiftung Dialog und Bildung Ercan Karakoyun sowie Prof. Dr. Wolf-Dietrich Bukow.

Zum deutschsprachigen Bericht zur Veranstaltung gelangen Sie hier.

Interkultureller Dialog e.V. (ikult e.V.)_Zaman

Prof. Dr. Wolf-Dietrich Bukow: „Die jüngeren Ereignisse haben der Hizmet-Bewegung geholfen“

(Köln, 20.01.2015) Erziehungs- und Kultursoziologe Prof. Dr. Wolf-Dietrich Bukow und Ercan Karakoyun, von der Stiftung Dialog und Bildung, nahmen in den neuen Räumlichkeiten des Interkultureller Dialog e.V. an einem Gespräch über die neu erschienene Publikation Fethullah Gülens „Was ich denke, was ich glaube“ teil.

Nach einer Präsentation über die Hizmet-Bewegung beantworteten Ercan Karakoyun und Prof. Bukow die Fragen der Gäste und äußerten sich auch zu aktuellen Geschehnissen. Karakoyun erklärte, dass die aktuelle Lage in der Türkei, der Hizmet-Bewegung insbesondere in Deutschland geholfen habe. Die Menschen würden zunehmend erkennen, dass Hizmet sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzt, so Karakoyun.

Was ich denke, was ich glaube - Prof. Wolf-Dietrich Bukow

Prof. Dr. Wolf-Dietrich Bukow

Auch Prof. Bukow betonte, dass die jüngeren Ereignisse in der Türkei der Hizmet-Bewegung in Deutschland in der öffentlichen Wahrnehmung sehr geholfen haben. Anhand der Fronten, die sich gebildet hätten, auf der einen Seite die Aufklärer von Korruption und auf der anderen Seite ein antidemokratisches Bestreben, könnten die Menschen hierzulande die Lage besser beurteilen und die Bewegung besser verstehen. „Die Gülen-Bewegung setzt sich für unsere Werte ein“, fügte er hinzu.

Die Hizmet-Bewegung ist eine soziale und bürgerliche Bewegung, die für typisch konservative Werte, wie etwa Bildungsbestreben steht. Gülen zeigt den Menschen auf, wie sie diese Werte in ihrer Lebenswelt umsetzen können.

Prof. Dr. Wolf-Dietrich Bukow

Zudem erklärte Prof. Bukow, dass der Grund des Misstrauens gegen die Bewegung darin liege, dass viele der Bewegung ein solch fortgeschrittenes und modernes Bildungsideal nicht zutrauen würden. „Muslime können doch nicht so fortschrittlich sein“, hieße es oft in der Bevölkerung. Dabei spreche gerade das Bildungsengagement viele Menschen an und bewege sie in der Bewegung zu partizipieren, die längst global verankert sei. Bukow kritisierte allerdings, dass die Hizmet-Bewegung sich an der Reform der islamischen Theologie an deutschen Universitäten nur unzureichend beteilige.

Was ich denke, was ich glaubeAuf eine Frage des Moderators antwortete Prof. Bukow, dass Gülen über globale Herausforderungen auf Augenhöhe mit westlichen Intellektuellen diskutieren könne. Gülens Absicht sei, gesellschaftliche Probleme zu lösen und nicht sich in die Politik einzumischen. „Als Intellektueller und Theologe motiviert Gülen die Menschen zu Bildung, doch wie das Geschehen soll, überlässt er uns“, so Bukow.

Prof. Dr. Ursula Boos-Nünning: „Hizmet-Bewegung muss transparenter werden“

(Aachen, 15.01.2015) Am späten Donnerstagabend kamen ca. 90 Interessierte im Fo3-Hörsaal des Karman-Auditoriums der RWTH Aachen zusammen, um an der Besprechung und Diskussion von “Was ich denke, was ich glaube” teilzunehmen. Die eingeladenen Referenten der Veranstaltung waren Ercan Karakoyun, Vorsitzender der Stiftung Dialog und Bildung sowie Prof. Dr. Ursula Boos-Nünning. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Marc Hieronimus.

Ercan Karakoyun gab einen kurzen Überblick über die Entstehung der Hizmet-Bewegung in der Türkei. Dabei erklärte er, dass Hizmet zunächst mit der Verbreitung von Tonbändern Fethullah Gülens an Popularität gewann. Spätestens mit der Auswanderung Gülens in die USA, habe die Internationalisierung der Bewegung stark zugenommen. Ercan Karakoyun ging auch auf das Frauenbild Gülens ein, das sich in seinen verschiedenen Lebensabschnitten gewandelt habe, so Karakoyun. Heute betone Gülen, dass Frauen nahezu alle Rollen übernehmen und Richter sowie Staatsoberhaupt werden könnten. Die Tätigkeit der Frau könne keineswegs auf die häusliche Beschäftigung beschränkt sein. Nicht zuletzt betonte Karakoyun, dass Gülen die Auffassung vertrete, dass es notwendig sei, am Menschen zu arbeiten, um soziale Probleme zu lösen.

In der muslimischen Welt werden keine Diskussionen mehr geführt. Der Islam hat in den letzten Jahrhunderten seine reiche Diskussionskultur verloren.

Ercan Karakoyun

Im Anschluss ergriff Prof. Dr. Ursula Boos-Nünning das Wort und lobte das große Engagement der Hizmet-Bewegung in der Bildungsarbeit. Sie erklärte, wenn sich Hizmet-Schulen durch Qualität und pädagogischem Erfolg behaupten können, werden sie breite Akzeptanz in der deutschen Gesellschaft genießen. Denn die deutsche Gesellschaft habe sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt und lege großen Wert auf Qualität, anstatt perspektive Urteile zu fällen. Dabei spiele Transparenz eine wesentliche Rolle. Die Hizmet-Bewegung müsse transparenter werden.

Gülen sieht traditionelle Werte nicht im Widerspruch zu modernen Wissenschaften.

Prof. Dr. Ursula Boos-Nünning

“Was ich denke, was ich glaube“

Buchempfehlung und Rezension von Hasan Dağdelen

Die von Fethullah Gülen inspirierte Hizmet-Bewegung wird von der Öffentlichkeit in Deutschland unterschiedlich aufgenommen. Vor dem Hintergrund immer wieder vorgebrachter Vorwürfe und Vorbehalte ermöglicht dieses Buch eine fundierte und differenzierte Betrachtung der Äußerungen Fethullah Gülens.

Gülen äußert sich in diesem Werk unter Anderem in Form von Interviews und Meinungstexten zu gesellschaftsrelevanten Fragen für gläubige Muslime im Kontext der Moderne. Neben verschiedenen Interviews mit Medienvertretern aus den Jahren 2012 und 2014, in denen er sich über seine Ideale und die großen Projekte seines Lebens, Dialog und Bildung, äußert, bezieht Gülen insbesondere zu gesellschafttlichen und religiösen Kernfragen Stellung. Einige Schlüsseltexte aus den letzten Jahren verdeutlichen, für welche Positionen Gülen steht und warum das, was er denkt und glaubt, für viele Menschen inspirierend ist.

Für ihn ist die Hizmet-Bewegung eine transnationale soziale Bewegung, die das Ziel anstrebt, gegenseitiges Verständnis, Toleranz, Respekt und Frieden zu fördern. Sehr spannend ist Gülens Erkenntnis, dass Muslime ihren Glauben in sehr unterschiedlichen politischen Systemen praktizieren können. Für Fethullah Gülen ist die Demokratie, auch wenn sie noch immer verbesserungsfähig ist, das einzige zukunftsfähige politische System, weil für ihn eine pluralistische Gesellschaft eine wichtige Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen ist. Gerade in Demokratien wird die Entscheidungsfreiheit, wie die Menschen ihr Leben gestalten und ihren religiösen Werten Ausdruck verleihen wollen, durch Grund- und Menschenrechte garantiert. Universelle Grundsätze wie Gleichberechtigung, Toleranz und Gerechtigkeit können deshalb, laut Gülen, fruchtbar in den demokratischen Prozess eingebracht werden. Seine Auseinandersetzung mit der Menschenrechtsproblematik weist nach, dass auch Muslime „das göttliche Gesetz“ auf die konkrete Gesellschaft, in der sie leben, auslegen müssen. Nur so können politische Theorien und praktisches Handeln weltlicher und religiöser Ausprägung miteinander in Einklang gebracht werden. Der Islam erkennt also, wie der christliche Glaube, dass eine ständige, auf die Gesellschaft ausgerichtete Transformation des Glaubens in neue Handlungsfelder geleistet werden muss.

Durch „Was ich denke, was ich glaube“ kommt der Leser zu dem Ergebnis, dass Gülen ein zutiefst gläubiger Muslim ist, der die westliche Gesellschaft in ihrer demokratischen Verfasstheit befürwortet, sie gleichzeitig aber auch durchaus kritisch in Betracht zieht. Er verweist dabei auf die Überbetonung materiellen Denkens und die Verdrängung von praktizierten, auch religiösen Werten. Gleichzeitig stellt sich Gülen klar gegen Terrorismus und Gewalt der sich auf den Islam beruft und setzt sich für eine Gleichstellung der Geschlechter ein.

Auffallend ist der sehr schwierige sprachliche Zugang zum Text. Gülen, der heute in den USA lebt, argumentiert auf teilweise hohem theoretischem Niveau, das einer differenzierteren Analyse bedarf und sich nicht für Entgegnungen auf der Alltagsebene mit vereinfachten Zuspitzungen eignet.

Nach einigen Mühen jedoch erschließt sich dem Leser ein Bild des Islams, dass das Individuum in den Mittelpunkt stellt und gläubigen Menschen ermöglicht an der Moderne teilzuhaben. Der Weg, über den die demokratisch verfassten Gesellschaften gepflegt werden können, führt Gülen über Bildung und Erziehung und über eine Mobilisierung der Menschen auf der Basis von universellen Werten wie Liebe, Toleranz und Dialog.

Sein Islamverständnis widerspricht allen Meinungen die auf Konfrontation und Kampf der gesellschaftlichen Systeme aus sind. Im Gegenteil: Er propagiert ein vielseitiges Miteinander auf dem Boden fundamentaler gemeinsamer Werte.

Spannende Fragen sind weiterhin, ob Gülen durch seinen Beitrag eine positive und dynamische Ausdrucksform eines Islams hervorgebracht hat, der der westlichen Welt auf Augenhöhe begegnen kann. Und ob durch Gülens Wirken ein soziales Netzwerk entstanden ist, das sich deutlich von den weitestgehend politischen Bewegungen in der übrigen islamischen Welt abhebt.