Jehoschua Ahrens: Juden, Christen und Muslimen liegt eine historische Chance zur Zusammenarbeit vor

(Köln, 20.10.2015) Im Rahmen der Gesprächsreihe “Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‘Anderen’ in unseren Köpfen” referierte Jehoschua Ahrens, ehemaliger Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, in den Vereinsräumlichkeiten des Interkultureller Dialog e.V. über das jüdische Leben in Deutschland und das Judentum im Allgemeinen.

Jehoschua Ahrens begann seine Ausführungen zum Judentum, welche die erste der drei monotheistischen Religionen ist, mit einer überblicksartigen Rekonstruktion der über 5.000 jährigen Historie dieser Religion. Dabei orientierte sich Ahrens hauptsächlich an der 2.000 jährigen – bis heute andauernden – europäischen und dabei insbesondere der deutschen Entwicklung des Judentums von der Zeit der Römer bis in das moderne 21. Jahrhundert. Der Referent ging auch auf die drei großen Strömungen im Judentum, nämlich die liberale, die modern-orthodoxe und die ultraorthodoxe, ein.

In seinem Vortrag widmete sich Ahrens auch einer vergleichenden Betrachtung zwischen dem Islam und dem Judentum, wobei er einen Schwerpunkt auf die außerordentlich vielen und wichtigen theologischen Gemeinsamkeiten setzte.

„Lange Zeit und ausgiebig genug wurden auf die Unterschiede zwischen unseren Religionen hingewiesen. Es ist an der Zeit, uns in unseren Gemeinsamkeiten wiederzufinden.“

J. Ahrens

Ahrens betonte, dass trotz bestehender Unterschiede, die Gemeinsamkeiten „der Völker des Lichts/Völker der Bücher“ überwiegen würden. Beispielhaft führte der Redner die gemeinsame Erfahrung von Muslimen und Juden in Europa an, die sich überwiegend als Minderheiten in den europäischen Gesellschaften integrieren mussten und dabei auf ähnliche Hindernisse gestoßen sind bzw. stoßen. Weitere Gemeinsamkeiten sind im religiösen Verhalten zu erkennen: So ist die religiöse Reinheit der Ernährung („helal“ / “koscher“) oder das Ritual der Beschneidung eine ausschlaggebende Gemeinsamkeit.

„Juden, Christen und Muslime sind sich – trotz bestehender politischer, kultureller oder religiöser Differenzen – sehr nahe. Ihnen liegt eine historische Chance vor, sich bei gemeinsamen Interessen zusammenzutun und sich für interreligiösen und interkulturellen Dialog einzusetzen.“

J. Ahrens

Dr. Yavuzcan: „Die Diskussion geht für Muslime an der Realität vorbei“

(Köln, 25.06.2015) Dr. İsmail Hakkı Yavuzcan vom Zentrum für islamische Theologie der Universität Tübingen sprach im Rahmen der Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“, ein gemeinsames Projekt des Interkultureller Dialog e.V. (ikult) und der Kölner Hochschulvereinigung Young Academics, über „Muslimsein in Deutschland“. Seit April dieses Jahres bekamen im Rahmen der Gesprächsreihe verschiedene Lebens- und Glaubenswelten die Möglichkeit zur Selbstdarstellung. Am vergangenen Donnerstag, passend zur Fastenzeit, wurden auch Einblicke in die vielfältige Welt der Muslime in Deutschland gewährt.

Dr. Yavuzcan erklärte zu Beginn seines Vortrags, dass in der deutschen Öffentlichkeit ein widersprüchliches Bild von Muslimen herrsche. Dabei handele es sich bei den Muslimen in Deutschland tatsächlich keineswegs um eine homogene Gruppe. Im Gegenteil seien äußerst heterogene Identitäten unter Muslimen in Deutschland vorhanden. In der Öffentlichkeit herrsche zwar das Bild, dass sich Muslime streng an ihre Religion halten, doch die Wirklichkeit sehe anders aus. Ganz unterschiedliche Lebensstile seien unter Muslimen festzustellen, wobei im alltäglichen Leben für manche, islamische Werte von großer Bedeutung seien, für andere hingegen nur eine nebensächliche Rolle spiele. Zudem erklärte Dr. Yavuzcan, dass es nicht möglich sei, einen idealtypischen Muslim zu finden, da die „reine Lehre“ nicht in der Realität existiere. Eine deskriptive Methode, die versucht, Lebens- und Glaubenswelten empirisch zu erfassen, sei zum Verständnis des Muslimseins in Deutschland dienlicher, so Yavuzcan. Hybride bzw. Patchwork-Identitäten, die unterschiedliche und scheinbar widersprüchliche Muster (Bsp. Deutsch-Türkisch-Muslimisch-Schwäbisch) zusammenbringen, seien auch unter Muslimen anzutreffen.

Menschen mit einem muslimischen Hintergrund werden sehr leicht auf ihre Identität als „Muslim“ reduziert.

Dr. İsmail Hakkı Yavuzcan

Dr. Ismail Yavuzcan 2Daneben wurde in dem Vortrag die umstrittene Rolle der Medien thematisiert. Dazu erklärte Dr. Yavuzcan, dass das Bild „des Muslims“ oft medial konstruiert sei. Medien würden oft Stereotypen bedienen und dabei behilflich sein so manche Vorurteile aufrechtzuerhalten. Oft zeige man Muslime nur als bärtige und männliche Personen oder muslimische Frauen mit Gesichtsschleier, die in der modernen deutschen Gesellschaft fremd seien. Allerdings stellte Dr. Yavuzcan auch klar, dass viele Muslime bewusst oder unbewusst durch ihr Fehlverhalten diese Stereotypen bedienen würden. Dennoch seien Schlagzeilen von auflagenstarken Zeitschriften wie ‚Der Spiegel‘, ‚Focus‘ oder ‚Stern‘ über Muslime und den Islam kritisch zu betrachten, da sie stets ein einseitiges Bild unterstützen würden. Deshalb wundert es nicht, dass Bewegungen wie Pegida entstehen, die glücklicherweise in großen Teilen Deutschlands nicht Fuß fassen konnten, so Yavuzcan.

Die Diskussion, ob der Islam zu Deutschland gehört, gehe für viele muslimische Jugendliche an der Realität vorbei, da sie sich längst nicht mehr als Migranten, sondern selbstverständlich als Teil der deutschen Gesellschaft betrachten würden. Zum Schluss seines Vortrags erklärte Dr. Yavuzcan, dass in der Öffentlichkeit die Annahme herrsche, dass überall Moscheen entstehen, dabei gebe es in Deutschland nur wenige klassische Moscheen mit Kuppel und Minarett. „Bei der erdrückenden Mehrheit der muslimischen Gebetshäuser in Deutschland handelt es sich noch immer um Hinterhofmoscheen“, so Yavuzcan.

Dr. Ismail Yavuzcan - Publikum

Merfin Demir: Medien stellen einseitiges Bild über Einwanderung dar

(Köln, 09.06.2015) Am Dienstagabend wurde die nächste Sitzung im Rahmen der Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland“ in der Universität zu Köln abgehalten. Merfin Demir, Koordinator des Projekts ‚Junge Roma aktiv‘ der Otto Benecke Stiftung, referierte zum Thema „Sinti und Roma sein in Deutschland“.

Zu Beginn seines Vortrags erklärte Merfin Demir den anwesenden Gästen die Auswanderungsbilanz von Bulgaren und Rumänen und bedauerte, dass die Medien derzeit die Einwanderungsthematik verzerrend und inkorrekt darlegen würden. Demnach würden 36% der rumänischen und bulgarischen Emigranten nach Italien, 18% nach Spanien, 14% nach Großbritannien und lediglich 11% nach Deutschland auswandern. Allerdings herrsche in den deutschen Medien häufig das Klima, dass die deutsche Gesellschaft vor einer Überfremdung stehe, obwohl die Einwanderungsquote zu anderen europäischen Ländern vergleichsweise gering sei.

Demir erläuterte, dass die Vorfahren der Sinti und Roma ursprünglich aus dem Nordwesten des indischen Subkontinents stammen. Aufgrund von Übergriffen, die Roma im Mittelalter erfahren haben, habe eine Auswanderung aus Indien in Richtung Europa stattgefunden. Wegen der breiten geografischen Verteilung der ausgewanderten Roma könne man heute nicht mehr von einer einheitlichen Kultur von Roma sprechen, sondern es herrsche eine kulturelle Pluralität. Daneben sei die Kultur von Roma stark davon abhängig in welcher Region sie leben und welcher Religion sie angehören. Der allgemeine Fixpunkt für die Identität von Roma sei in der Regel die Sprache, sofern sie gesprochen wird, betonte Demir.

Es existieren viele Roma Subkulturen nebeneinander. Die Entstehung von Nationalstaaten hat dazu geführt, dass die Existenz von Subkulturen infrage gestellt wurden und Normalität zu Anomalität wurde.

Merfin Demir

In der Geschichte hätten Roma unzählige unangenehme Erfahrungen gemacht. In Rumänien habe man Roma als Sklaven gehalten, ähnlich wie Afroamerikaner in den USA. Auch habe man Roma in Europa als Feinde der Christenheit diffamiert, weil sie nicht katholisch waren. Die Kirche habe sogar Scheine erstellen lassen, um Roma zu identifizieren und zu verfolgen. Und während des NS-Regimes seien Sinti und Roma gänzlich einem Völkermord ausgesetzt gewesen, so Demir.

Die Wahrung der eigenen Kultur ist mindestens genauso wichtig wie die Wahrung der eigenen Identität.

Merfin Demir

Zum Unterschied zwischen Sinti und Roma sagte Demir: “Sinti sind seit über 600 Jahren in Deutschland ansässig und leben seit jeher hauptsächlich im deutschsprachigen Raum. Roma hingegen leben überwiegend im osteuropäischen Raum. Damit einhergehend sind einige kulturelle Unterschiede vorhanden“.

Abschließend stellte Merfin Demir fest, dass es bei wirtschaftlichen Verstößen Warnbriefe gibt, aber bei Menschenrechtsverletzungen nicht und warf die Frage in den Raum, ob es sich beim Projekt der Europäischen Union um eine Wertegemeinschaft oder doch nur Wirtschaftsgemeinschaft handelt.

Dr. Thomas Lemmen zu Gast im ikult e.V.

(Köln, 03.06.2015) Am Mittwochabend war Dr. Thomas Lemmen, Referent im Referat Dialog und Verkündigung des Erzbistums Köln, zu Gast im Interkultureller Dialog e.V. (ikult) und hielt im Rahmen der Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland“ einen Vortrag zum Titel „Katholisch sein in Deutschland“.

Seinen Vortrag teilte Dr. Lemmen in zwei Bereiche auf. Im ersten Teil ging er auf die Entstehungsgeschichte des Christentums ein und schilderte Kernpunkte des christlichen Glaubens. Dr. Lemmen unterstrich, dass die Beziehung des Menschen zu Gott mit Jesus Christus eine neue Tiefe erlangt habe und Jesus sich für die Armen und Unterdrückten eingesetzt habe. Zudem erklärte Dr. Thomas Lemmen, dass die ersten Christen in Europa Migranten waren. Genau wie das Judentum habe sich auch das Christentum vermutlich im Römischen Reich über die Handelswege ausgebreitet. Man gehe davon aus, dass die ersten Christen Soldaten und Händler waren. Weitere Unterthemen der chronologischen Einführung in die Entstehungsgeschichte des Christentums waren die Unterscheidung des west- und oströmischen Christentums, die Schlacht bei Zülpich, die Krönung Karl des Großen durch den Papst sowie das Wirken angelsächsischer Missionare. 1517 gab es mit der Reformation das erste Mal zwei Erscheinungsbilder des Christentums, so Lemmen. Das Ziel Martin Luthers sei gewesen, der Verweltlichung der Kirche entgegenzuwirken. Die Reformation habe eine konfessionelle Zweiteilung herbeigeführt, dessen Spuren auch heute noch deutlich zu sehen seien.

Im zweiten Teil ging Dr. Thomas Lemmen auf die gegenwärtige Lebenswelt der Christen in Deutschland ein. Hierzu bediente er sich auch aktuellen demografischen Statistiken. In den vergangenen Jahrzehnten sei die Taufenrate stark zurückgegangen, der Anteil der Konfessionslosen stark gestiegen und der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung habe sich von 2,7% auf 5% erhöht. Als Grund für den Zuwachs von Konfessionslosen nannte er unter anderem die Wiedervereinigung, da die Menschen in den neuen Bundesländern vom alten System als konfessionslos betrachtet wurden und diesen Status größtenteils nach der Wende behalten hätten. Daneben sei allerdings nicht zu übersehen, dass sich tatsächlich eine beachtliche Zahl an Menschen von der Kirche abgewandt hat, so Lemmen. Oft sei es der Fall, dass sich Bürger über folgenschwere Ereignisse innerhalb der Kirche aufregen und deshalb beispielsweise keine Kirchensteuer mehr zahlen möchten. Es seien sogar Protestanten vorhanden, die sich über Entscheidungen der katholischen Kirche ärgern und aus der evangelischen Gemeinde austreten. „Wir sind hier als Katholiken auf hohem Niveau mit dem ‚Jammern’“, sagte Dr. Lemmen um zu unterstreichen, dass die Kirche in Afrika unter viel prekäreren und unverhältnismäßigen Bedingungen die Menschen zu erreichen versuchen würden.

PublikumAufgrund der Tatsache, dass unter den Gästen sehr unterschiedliche „Lebens- und Glaubenswelten“ wie Muslime, Konfessionslose etc. vorhanden waren, musste sich Dr. Lemmen vielen Fragen stellen. So fand zum Abschluss des Abends eine angenehme Gesprächsrunde mit interessanten Fragen statt, sodass der eine oder andere Aspekt noch einmal intensiver thematisiert wurde.

Dr. Susanne Spülbeck: Öffentliche Diskurse können Vorurteile reduzieren

(Köln, 21.04.2015) Am Dienstagabend startete die Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“, ein gemeinsames Projekt des Interkultureller Dialog e.V. und der Kölner Hochschulvereinigung Young Academics. Zum Auftakt der Gesprächsreihe hielt Dr. Susanne Spülbeck, Ethnologin und Geschäftsführerin des blickwechsel, einen Vortrag zum Thema „Wie entstehen Vorurteile?“ und vermittelte theoretische Grundlagen, die in den kommenden Sitzungen von großer Bedeutung sein werden.

A. Kategorienbildung

Dr. Spülbeck erklärte, dass Kategorien Menschen dabei helfen die Welt in der sie leben zu ordnen. Diese seien erforderlich, um die Welt besser zu verstehen. Demnach würden auch Kinder Wahrnehmungskategorien bilden, um beispielsweise Gefahren zu erkennen und einfache alltägliche Sachen zu verstehen. So könnten Kinder alle Vierbeiner bereits der Kategorie „Tierwelt“ zuordnen. Alles, was in einer Babyflasche ist, könne demnach als „Nahrung“ erkannt werden. Dies führe jedoch auch dazu, dass Kinder leicht daneben liegen können.

Kategorien liefern klare Orientierungen, mit denen man trennen und ordnen kann. Sie fungieren somit als Hilfsmittel, um Dinge besser einordnen zu können.

B. Henri Tajfel

In ihrem Vortrag bezog sich Spülbeck auch auf den britischen Sozialpsychologen Henri Tajfel (1919-1982), der sagt, dass ein rigider autoritärer Charakter zur Vorurteilsbildung neigt, weil dieser gewisse Probleme in der Kindheit hatte. Alle Menschen neigen zu Vorurteilen, weil jeder Kategorien bilden muss, um sich zu orientieren. Als Paradebeispiel könne man die Kategorien Männer und Frauen nehmen, weil durch diese bestimmt werden könne, was typisch männlich und weiblich ist. Irrelevant sei hierbei, ob in anderen Ländern diese Dinge anders definiert werden. Der Kabarettist Ursus Wehrli sagte hierzu, dass es ein menschliches Bedürfnis ist, dass man nach Ordnung und klarer Orientierung sucht. Gerade zu beispielhaft sei, dass man Führungspositionen immer mit schlanken und dominanten Männern in Verbindung bringe. Klischees würden schnell zur Geschlechterrolle werden.

Alle Menschen neigen zu Vorurteilen, weil jeder Kategorien bilden muss, um sich zu orientieren.

C. Soziale Kategorien

Lebens- und Glaubenswelten - GruppendiskussionSoziale Kategorien seien effizient, weil diese Orientierung im Alltag liefern, so Spülbeck. Sie definieren auch die eigene Identität. Hierbei sei zu beachten, dass es verschiedene Identitätskonstruktionen geben könne. Diese Art der Kategorie sei erfahrungsoffen. Das heißt, wenn man beispielsweise einen Fremden näher kennenlernt, könnten sich eigene Stereotypen auch ändern. Automatisch seien mehr Vorurteile vorhanden, wenn man wenig Erfahrungen mit anderen Typen habe.

D. Georg Simmel

Der deutsche Philosoph Georg Simmel (1858-1918) habe sich mit der Frage befasst, welche Rolle Fremde in der Gesellschaft hätten. Fremdheit sei etwas, das mit Mobilität zu tun habe. Der Fremde komme von irgendwo dazu und könne über einen längeren Zeitraum bleiben oder weiter ziehen. Der Fremde sei ein organisches Glied der Gruppe und jede Gesellschaft brauche Personen, die sie als fremd definieren könne, um ihre eigene Identität besser zu definieren und von den anderen zu trennen. Der Fremde sei auch der unabhängigere, denn er bewerte die Verhältnisse vorurteilsfreier und sei in seiner Aktion nicht durch Gewöhnung gebunden. Aus diesem Grund waren die Richter in den italienischen Städten immer zugereiste Juristen, so Dr. Spülbeck. Die Rolle des Fremden gebe uns die Möglichkeit Dinge anders zu sehen und zu tun, als wir es gewohnt seien. In dem Maß, in dem es gelinge, das Fremde fremd sein zu lassen und ihm zugleich einen sicheren Ort in unserer Gesellschaft zu geben, in dem Maß würden wir unsere Gesellschaft als eine stabile erleben. Menschen mit Problemen, anderen Neigungen oder anderen Ideen hätten meist das Problem sich zu outen, weil sie die Angst in sich trugen, von der Gesellschaft nicht akzeptiert zu werden. Je besser es einer Gesellschaft gelinge diese Außenseiter zu integrieren, desto sicherer fühle sie sich.

Fazit

Auf Grundlage der oben beschriebenen Inhalte ist Dr. Spülbeck zu dem Schluss gekommen, dass Vorurteile individuelle Versuche sind, eine klare Orientierung in einer diffusen Welt herzustellen. Deshalb müssten Vorurteile öffentlich ausgehandelt werden. Gesellschaftliche Diskurse über Vorurteile sollten ein akzeptierter Teil des öffentlichen Diskurses werden. Denn die Reduzierung von Vorurteilen sei möglich, wenn klare Orientierungen im öffentlichen Diskurs geliefert werden, so Dr. Spülbeck am Ende ihres Vortrags.

Gesellschaftliche Diskurse über Vorurteile definieren die Lebensqualität in einer Gesellschaft für alle.

Dr. Susanne Spülbeck

Lebens- und Glaubenswelten - Publikum2

Gesprächsreihe: „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland“

Der Interkultureller Dialog e.V. lädt gemeinsam mit der Kölner Hochschulvereinigung Young Academics zur Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“ ein. Die Sitzungen des Projekts werden in der Universität zu Köln und in unseren Vereinsräumlichkeiten stattfinden.

In der Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“ werden Auffassungen über verschiedene Identitäten und Lebensformen unserer Gesellschaft und ihre Auswirkungen auf diese behandelt. Durch Vorträge von Vertretern verschiedener Lebens- und Glaubenswelten und anschließenden Gesprächsrunden erhalten TeilnehmerInnen Einblicke in die ihnen unbekannten Lebenswelten.

In einer von Pluralität geprägten Gesellschaft werden Menschen immer wieder und intensiver mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Die Tatsache, dass die Welt zu einem globalen Dorf zusammengewachsen ist, verstärkt dieses Phänomen. Menschen verlassen ihre Heimat und versuchen sich in neuen Kulturen und Gesellschaften einzuleben. Die dabei entstehenden Sozialisationsprozesse bedürfen der enormen Anstrengung beider Seiten.

Insbesondere Deutschland steht vor der Herausforderung der Inkulturation verschiedener Lebens- und Glaubenswelten wie die der Muslime. Die Wiederholung des Wulffzitats „Der Islam gehört zu Deutschland“ durch Bundeskanzlerin Angela Merkel und die damit verbundenen Reaktionen der Öffentlichkeit, zeigen die Brisanz dieser Thematik. Deutschland tut sich schwer mit kultureller Vielfalt.

Der kulturelle und gesellschaftliche Wandel, der durch Interaktion zwischen verschiedenen Lebens- und Glaubenswelten entsteht, stellt jeden Einzelnen vor große Herausforderungen. Die Entstehung von Vorurteilen, Diskriminierungen, Rassismus und Überfremdungsängsten kann dabei vielschichtige Gründe haben. So wundert es nicht, dass es zu gesellschaftlichen Reibungen kommt, die sich in jüngster Zeit besonders in Form der Pegida-Demonstrationen und den Ausschreitungen zwischen rechtsradikalen Hooligans und Salafisten gezeigt haben. Auch die Pariser Anschläge auf Charlie Hebdo wurden letztlich von Menschen verübt, die in der „europäischen Gesellschaft“ sozialisiert wurden.

Die Veranstalter möchten dieses Thema auf der Basis wissenschaftlicher Vorträge vertiefen. Die Intention der Gesprächsreihe ist, verschiedene Identitäten der unterschiedlichen Lebens- und Glaubenswelten einen Raum zur Selbstdarstellung zu bieten. Damit soll das vermeintlich „Fremde“ durch direkten Wissensaustausch „bekannter“ werden. In der Gesprächsreihe werden also folgenden Fragestellungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt: Wie entstehen Vorurteile? Wer ist der „Andere“ und wie sieht sein Alltag aus? Was denkt er über mich? Welches Gesellschaftsmodell passt zu uns? Anschließende Diskussionsrunden werden uns die Möglichkeit geben, von den Ideen und Erkenntnissen unserer Gäste profitieren zu können.

Es ist den Veranstaltern bewusst, dass im Rahmen des Projekts die Vielfalt von Lebens- und Glaubenswelten im Ganzen nicht wiedergegeben werden kann. Die ausgewählten Vorträge stellen daher nur einen Teil der Realität dar und sollen nur einen Einblick gewähren.

Wir Laden Sie alle herzlich zu unserer Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“ ein.

Vorträge

  1. „Wie entstehen Vorurteile?“ von Dr. Susanne Spülbeck am 21.04.2015
  2. „Transkulturalität“ von Dr. Nadjib Sadikou am 20.05.2015
  3. „Katholisch sein in Deutschland“ von Dr. Thomas Lemmen am 03.06.2015
  4. „Roma und Sinti sein in Deutschland“ von Merfin Demir am 09.06.2015
  5. „Evangelisch sein in Deutschland“ von Pfr. Dorothee Schaper am 17.06.2015
  6. „Muslimisch sein in Deutschland“ von Dr. Ismail Hakkı Yavuzcan am 25.06.2015
  7. „Jüdisch sein in Deutschland“ von Rabbiner Jehoschua Ahrens am 20.10.2015

Beachten Sie auch die Projektseite zur Gesprächsreihe.