Terroranschläge in Paris – Beileidsbekundung

Fassungslos verfolgen wir die Berichterstattung über die Anschlagsserie in Paris vom gestrigen Abend. Erschüttert und zutiefst betroffen sind wir vor allem über den Tod von mindestens 118 unschuldigen Menschen.  Den Familien, Freunden und Bekannten der Opfer sowie der gesamten französischen Bevölkerung sprechen wir unser tiefstes Mitgefühl aus.

Diese verabscheuungswürdigen Terrorakte waren zweifelsohne Angriffe auf die freiheitlich demokratischen Grundwerte und betreffen daher alle Menschen, die diese Werte teilen. Wir als Interkultureller Dialog e.V. nehmen daher den Terror von Paris auch als Angriff auf unsere Grundwerte wahr. Diese gilt es nun geschlossen zu  verteidigen!

Terror hat zwar keine Religion, doch wie aus der medialen Berichterstattung herauszuhören ist, handelt es sich bei den Terroristen vom gestrigen Abend wohl um religiös motivierte Täter, die dem sogenannten Islamischen Staat (IS) nahestanden.  An dieser Stelle distanzieren wir uns ausdrücklich von jedweder Gewalt und verurteilen den Terror im Namen des Islam auf das Allerschärfste.

Davon überzeugt, dass die französische Gesellschaft gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wird, widmen wir unsere Gebete den Opfern und den Angehörigen der Terroranschläge.

Bund Deutscher Dialog Institutionen – BDDI

Interkultureller Dialog e.V.

Jehoschua Ahrens: Juden, Christen und Muslimen liegt eine historische Chance zur Zusammenarbeit vor

(Köln, 20.10.2015) Im Rahmen der Gesprächsreihe “Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‘Anderen’ in unseren Köpfen” referierte Jehoschua Ahrens, ehemaliger Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, in den Vereinsräumlichkeiten des Interkultureller Dialog e.V. über das jüdische Leben in Deutschland und das Judentum im Allgemeinen.

Jehoschua Ahrens begann seine Ausführungen zum Judentum, welche die erste der drei monotheistischen Religionen ist, mit einer überblicksartigen Rekonstruktion der über 5.000 jährigen Historie dieser Religion. Dabei orientierte sich Ahrens hauptsächlich an der 2.000 jährigen – bis heute andauernden – europäischen und dabei insbesondere der deutschen Entwicklung des Judentums von der Zeit der Römer bis in das moderne 21. Jahrhundert. Der Referent ging auch auf die drei großen Strömungen im Judentum, nämlich die liberale, die modern-orthodoxe und die ultraorthodoxe, ein.

In seinem Vortrag widmete sich Ahrens auch einer vergleichenden Betrachtung zwischen dem Islam und dem Judentum, wobei er einen Schwerpunkt auf die außerordentlich vielen und wichtigen theologischen Gemeinsamkeiten setzte.

„Lange Zeit und ausgiebig genug wurden auf die Unterschiede zwischen unseren Religionen hingewiesen. Es ist an der Zeit, uns in unseren Gemeinsamkeiten wiederzufinden.“

J. Ahrens

Ahrens betonte, dass trotz bestehender Unterschiede, die Gemeinsamkeiten „der Völker des Lichts/Völker der Bücher“ überwiegen würden. Beispielhaft führte der Redner die gemeinsame Erfahrung von Muslimen und Juden in Europa an, die sich überwiegend als Minderheiten in den europäischen Gesellschaften integrieren mussten und dabei auf ähnliche Hindernisse gestoßen sind bzw. stoßen. Weitere Gemeinsamkeiten sind im religiösen Verhalten zu erkennen: So ist die religiöse Reinheit der Ernährung („helal“ / “koscher“) oder das Ritual der Beschneidung eine ausschlaggebende Gemeinsamkeit.

„Juden, Christen und Muslime sind sich – trotz bestehender politischer, kultureller oder religiöser Differenzen – sehr nahe. Ihnen liegt eine historische Chance vor, sich bei gemeinsamen Interessen zusammenzutun und sich für interreligiösen und interkulturellen Dialog einzusetzen.“

J. Ahrens

Rheinlandgespräch: “Zur Lage der Flüchtlinge in Deutschland und Köln”

Der Interkultureller Dialog e.V. (ikult) möchte Sie recht herzlich zum Rheinlandgespräch „Zur Lage der Flüchtlinge in Deutschland und Köln“ einladen.

Seit einigen Monaten beschäftigt die Flüchtlingskrise die Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb sind wir froh, dass wir mit Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats e.V., einen geeigneten Referenten gewinnen konnten, um Mitgliedern und Freunden des ikult sowie interessierten Gästen einen Gesprächsabend zu dieser aktuellen Thematik anbieten zu können.

Mit den Rheinlandgesprächen möchten wir der Öffentlichkeit eine Schnittstelle zum Spannungsfeld aktueller Themen und der interkulturellen und der transkulturellen Dialogarbeit bieten. Weitere Informationen zum Projekt „Rheinlandgespräche“ finden Sie hier.

  • Datum: 28.10.2015
  • Uhrzeit:, 19:00 Uhr bis 20:30 Uhr
  • Ort: Bildungszentrum Dialog Mülheim: Berliner Str. 156, 51063 Köln
  • Konferenzraum (2. Etage)
  • Anfahrt: Informationen

Menschenrechtsverletzungen der AKP-Regierung seit Dezember 2013

Ein Bericht über die von der AKP-Regierung seit Dezember 2013 ergriffenen
Maßnahmen:

KURZFASSUNG

Der Bericht wurde von Lord Woolf, ehemaliger Lord Chief Justice of England and Wales; Sir
Jeffrey Jowell, Emeritus Professor of Public Law des University College London und Director of
the Bingham Centre for the Rule of Law; Sir Edward Garnier, ehemaliger Solicitor-General for
England and Wales; und Sarah Palin, Barrister für Menschenrechte und Medienrecht, verfasst
und kommt zu dem Ergebnis, dass die türkische Regierung seit Dezember 2013 systematisch
Menschenrechtsverletzungen verübt hat, die eine Klage auf internationaler Ebene, höchst
wahrscheinlich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, begründen würden.

Das hauptsächliche Ziel der Übergriffe waren Anhänger der Gülen-Bewegung, einem Netzwerk
der Zivilgesellschaft aus Personen und religiösen, humanitären und Bildungsinstitutionen, die
sich den Ansichten des islamischen Gelehrten Fethullah Gülen anschließen, der für
interreligiösen Dialog, gemeinnützige Arbeit und universelle Bildung eintritt. Der neueste
Katalysator der Regierungsoffensive gegen die Bewegung war im Dezember 2013 die erneute
Entzündung der schwelenden öffentlichen Besorgnis über das Fehlverhalten der Regierung durch
die Enthüllung eines Korruptionsskandals , in den Präsident Recep Tayyip Erdoğan (zu der Zeit
Ministerpräsident), vier Kabinettsminister, Mitglieder ihrer Familien und mehrere prominente
Geschäftsleute verwickelt waren. Die Regierung behauptete, dass eine Parallelstruktur von
Gülen-Anhängern im türkischen Staat versuche, einen gerichtlichen Coup zu landen und forderte
ihre Zerstörung.

Die darauf folgenden Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und
anderer von der Türkischen Republik unterzeichneten Menschenrechtsabkommen seitens der
Regierung lassen sich in drei wesentliche Kategorien einteilen: den Betroffenen der
Untersuchung wird das Recht auf Freiheit, Sicherheit und ein faires Verfahren verweigert,
nachdem von der Exekutivgewalt über die Justiz Gebrauch gemacht wird; die Meinungsfreiheit
wird unterdrückt – insbesondere in den Medien; und die Anhänger der Gülen-Bewegung werden
Säuberungsaktionen und Schikanen ausgesetzt und ihre Institutionen und Verbände blockiert.

i) Die Subversion des Rechtsstaatsprinzips und anschließende Verweigerung der Rechte auf
Freiheit, Sicherheit und ein faires Verfahren

Seit dem Korruptionsskandal im Dezember 2013 hat die AKP-Regierung nie gesehene Schritte
unternommen, um von der Exekutivgewalt über die Justiz-, Polizei- und
Strafverfolgungsbehörden Gebrauch zu machen. Zu diesen Schritten gehört die Entlassung aller
Mitarbeiter, die für den Obersten Rat der Richter und Staatsanwälte gearbeitet haben. Sie wurden
durch Personal ersetzt, das der Justizminister ernannte – ein Vorgehen, dass vom
Verfassungsgericht der Türkei als verfassungswidrig entschieden, aber nie rückgängig gemacht
wurde – und die Einführung neuer Strafrichter des Friedens mit ausgedehnter Macht über
strafrechtliche Untersuchungen.

Durch die Untergrabung der Unabhängigkeit der türkischen Justiz hat die AKP-Regierung die
Verhaftung sich offen äußernder Medienpersönlichkeiten und Hunderter in der
Antikorruptionsoperation involvierter Polizeibeamter ermöglicht. Diese Verhaftungen waren ein
Verstoß gegen die türkische Verfassung und das Verbot von Folter, gegen das Recht auf Freiheit
und Sicherheit und das Recht auf ein faires Verfahren, die jeweils in den Artikeln 3, 5 und 6 der
EMRK festgeschrieben sind.

Zu den Beispielen der Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit diesen Verhaftungen
gehören: unerträglich Bedingungen, Verweigerung von Anwaltskontakt, erzwungene
Unterschrift von Dokumenten und das Versäumnis, direkt einem Richter vorgeführt zu werden,
dem die verhafteten Polizeibeamten ausgesetzt waren; die Verhaftung des Chefs der
Mediengruppe Samanyolu, Hidayet Karaça, aufgrund des unzulänglichen Verdachts, verschlüsselte Botschaften durch eine Episode eines fiktiven TV-Dramas ausgestrahlt zu haben; und die Weigerung von Staatsanwälten, einer gerichtlichen Anordnung zur Freilassung von Herrn Karaça und 63 Polizeibeamten auf Kaution Folge zu leisten.

ii) Die Verweigerung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung

Seit Dezember 2013 hat die Regierung zunehmend gegen das im Artikel 10 der EMRK verankerte
Recht auf freie Meinungsäußerung verstoßen. Die staatlich geförderte Unterdrückung freier
Berichterstattung und öffentlicher Debatte hat sowohl Einschränkungen der Pressefreiheit als
auch Behinderungen der sozialen Medien mit sich gebracht.

Zu den Beispielen für das scharfe Vorgehen der AKP-Regierung gegen die Pressefreiheit gehören
die Anklage gegen den Chefredakteur der Zaman wegen der Berichterstattung über eine Rede,
die der Oppositionsführer vor dem Parlament gehalten hatte; die Verteilung einer Liste von
Journalisten, die gefeuert werden sollten, an den Vorsitzenden der Koza İpek Holding, zu der die
Zeitung Bugün gehört; die durch Präsident Erdoğan und Premierminister Davutoğlu persönlich
erstattete Strafanzeige gegen den Redakteur von Today’s Zaman; die Deportation des Reporters
Mahir Zeynalov wegen des „Postens von Tweets, die hochrangige Staatsbeamte kritisierten“; und
die Ausübung wirtschaftlichen Drucks auf andersdenkende Medieneinrichtungen.

Die Regierung hat auch das Internetgesetz geändert, damit die Telekommunikations- und
Kommunikationsbehörde TIB Online-Inhalte blockieren kann, oft ohne Gerichtsbeschluss und
mit nur vier Stunden Vorankündigung. Die TIB hat diese Machtposition genutzt, um Twitter zu
blockieren. Die Maßnahme wurde vom türkischen Verfassungsgericht als „schwerwiegende
Einmischung in die freie Meinungsäußerung“ entschieden. Das Verfassungsgericht hat danach die
vierstündige Vorankündigungszeit als verfassungswidrig verworfen, woraufhin die AKP-Regierung
eine „fast identische“ Änderung in das Internetgesetz einbrachte.

iii) Diskriminierung der Gülen-Bewegung

Die Erdoğan-Regierung hat die vermeintliche Existenz eines Parallelstaates, für den sie
keinen Beweis erbracht hat, als Vorwand benutzt, um Personen und Unternehmen die mit der
Gülen-Bewegung in Verbindung gebracht werden, aus öffentlichen Ämtern zu vertreiben, direkte
Hassreden an sie zu wenden und sie zu enteignen und damit wiederholt gegen die EMRK
verstoßen.

Bei den Säuberungsaktionen sind seit Dezember 2013 etwa 40.000 Polizeibeamte,
Staatsbedienstete und Staatsanwälte unter dem Verdacht einer Verbindung zur Gülen-Bewegung
aus ihrem Amt entfernt worden, was durch die Schaffung einer Parallelen Überwachungseinheit
bei der Polizei für Terrorismusbekämpfung erleichtert wurde. Solch diskriminierende Maßnahmen verstoßen gegen das Recht auf Privatleben und das Verbot von Diskriminierung, die in den Artikeln 8 und 14 der EMRK garantiert sind.

Die AKP-Regierung hat auch versucht, die Anhänger der Gülen-Bewegung durch eine Kampagne
von Hassreden zu diffamieren. President Erdoğan hat die Gülen-Anhänger als „Perverse“,
„Verräter“, „heimtückische Viren und Parasiten“ und „Mitglieder einer Terrororganisation“
verunglimpft. Er hat behauptet, dass nur die „Hölle sie reinwaschen werde“ und Bürgermeister
großer Städte aufgerufen, sie zu „vernichten“. Die weit verbreitete und systematische Natur
dieser aggressiven Rhetorik legt nahe, dass es sich um Hassreden handelt, die unter die Definition
des Artikels 17 der EMRK fallen und verboten sind.

Die AKP-Regierung hat schließlich auch in offensichtlich unberechtigter, unverhältnismäßiger
und illegaler Weise das in Artikel 1 des Protokolls 1 der EMRK garantierte Recht auf Eigentum
von Unternehmen und Verbänden eingeschränkt, die der Gülen-Bewegung angeschlossen sind.
Zu den Beispielen hierfür gehören die Beschlagnahme der Bank Asya durch die
Bankenregulierungs- und Überwachungsbehörde und die Maßnahmen, mit denen der
Hilfsorganisation Kimse Yok Mu das Recht entzogen wurde, Spenden einzusammeln.

Methodik

Dieser Bericht ist von einer unabhängigen, selbstverwalteten Gruppe von Autoren mit Erfahrung
in der Durchführung von Untersuchungen objektiv und unparteiisch erstellt worden. Die Autoren
wurden von Rechtsanwälten der Journalists and Writers’ Foundation gebeten, eine unabhängige
Schreibtischuntersuchung über die Maßnahmen der türkischen Regierung, ihrer Institutionen
und Amtsträger gegen Anhänger der Gülen-Bewegung durchzuführen. Zum für diese
Schreibtischprüfung verwendeten Material gehörten schriftliche Stellungnahmen von Zeugen
und Opfern sowie die türkische Rechtsordnung, Gerichtsurteile und Zusammenfassungen von
Zeugenaussagen.

Dieser Bericht deckt den Zeitraum von Dezember 2013 bis heute ab, doch, wo angebracht, sind
auch frühere Ereignisse erwägt worden.

Zum Originalbericht gelangen Sie hier.

Dr. Yavuzcan: „Die Diskussion geht für Muslime an der Realität vorbei“

(Köln, 25.06.2015) Dr. İsmail Hakkı Yavuzcan vom Zentrum für islamische Theologie der Universität Tübingen sprach im Rahmen der Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“, ein gemeinsames Projekt des Interkultureller Dialog e.V. (ikult) und der Kölner Hochschulvereinigung Young Academics, über „Muslimsein in Deutschland“. Seit April dieses Jahres bekamen im Rahmen der Gesprächsreihe verschiedene Lebens- und Glaubenswelten die Möglichkeit zur Selbstdarstellung. Am vergangenen Donnerstag, passend zur Fastenzeit, wurden auch Einblicke in die vielfältige Welt der Muslime in Deutschland gewährt.

Dr. Yavuzcan erklärte zu Beginn seines Vortrags, dass in der deutschen Öffentlichkeit ein widersprüchliches Bild von Muslimen herrsche. Dabei handele es sich bei den Muslimen in Deutschland tatsächlich keineswegs um eine homogene Gruppe. Im Gegenteil seien äußerst heterogene Identitäten unter Muslimen in Deutschland vorhanden. In der Öffentlichkeit herrsche zwar das Bild, dass sich Muslime streng an ihre Religion halten, doch die Wirklichkeit sehe anders aus. Ganz unterschiedliche Lebensstile seien unter Muslimen festzustellen, wobei im alltäglichen Leben für manche, islamische Werte von großer Bedeutung seien, für andere hingegen nur eine nebensächliche Rolle spiele. Zudem erklärte Dr. Yavuzcan, dass es nicht möglich sei, einen idealtypischen Muslim zu finden, da die „reine Lehre“ nicht in der Realität existiere. Eine deskriptive Methode, die versucht, Lebens- und Glaubenswelten empirisch zu erfassen, sei zum Verständnis des Muslimseins in Deutschland dienlicher, so Yavuzcan. Hybride bzw. Patchwork-Identitäten, die unterschiedliche und scheinbar widersprüchliche Muster (Bsp. Deutsch-Türkisch-Muslimisch-Schwäbisch) zusammenbringen, seien auch unter Muslimen anzutreffen.

Menschen mit einem muslimischen Hintergrund werden sehr leicht auf ihre Identität als „Muslim“ reduziert.

Dr. İsmail Hakkı Yavuzcan

Dr. Ismail Yavuzcan 2Daneben wurde in dem Vortrag die umstrittene Rolle der Medien thematisiert. Dazu erklärte Dr. Yavuzcan, dass das Bild „des Muslims“ oft medial konstruiert sei. Medien würden oft Stereotypen bedienen und dabei behilflich sein so manche Vorurteile aufrechtzuerhalten. Oft zeige man Muslime nur als bärtige und männliche Personen oder muslimische Frauen mit Gesichtsschleier, die in der modernen deutschen Gesellschaft fremd seien. Allerdings stellte Dr. Yavuzcan auch klar, dass viele Muslime bewusst oder unbewusst durch ihr Fehlverhalten diese Stereotypen bedienen würden. Dennoch seien Schlagzeilen von auflagenstarken Zeitschriften wie ‚Der Spiegel‘, ‚Focus‘ oder ‚Stern‘ über Muslime und den Islam kritisch zu betrachten, da sie stets ein einseitiges Bild unterstützen würden. Deshalb wundert es nicht, dass Bewegungen wie Pegida entstehen, die glücklicherweise in großen Teilen Deutschlands nicht Fuß fassen konnten, so Yavuzcan.

Die Diskussion, ob der Islam zu Deutschland gehört, gehe für viele muslimische Jugendliche an der Realität vorbei, da sie sich längst nicht mehr als Migranten, sondern selbstverständlich als Teil der deutschen Gesellschaft betrachten würden. Zum Schluss seines Vortrags erklärte Dr. Yavuzcan, dass in der Öffentlichkeit die Annahme herrsche, dass überall Moscheen entstehen, dabei gebe es in Deutschland nur wenige klassische Moscheen mit Kuppel und Minarett. „Bei der erdrückenden Mehrheit der muslimischen Gebetshäuser in Deutschland handelt es sich noch immer um Hinterhofmoscheen“, so Yavuzcan.

Dr. Ismail Yavuzcan - Publikum

Merfin Demir: Medien stellen einseitiges Bild über Einwanderung dar

(Köln, 09.06.2015) Am Dienstagabend wurde die nächste Sitzung im Rahmen der Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland“ in der Universität zu Köln abgehalten. Merfin Demir, Koordinator des Projekts ‚Junge Roma aktiv‘ der Otto Benecke Stiftung, referierte zum Thema „Sinti und Roma sein in Deutschland“.

Zu Beginn seines Vortrags erklärte Merfin Demir den anwesenden Gästen die Auswanderungsbilanz von Bulgaren und Rumänen und bedauerte, dass die Medien derzeit die Einwanderungsthematik verzerrend und inkorrekt darlegen würden. Demnach würden 36% der rumänischen und bulgarischen Emigranten nach Italien, 18% nach Spanien, 14% nach Großbritannien und lediglich 11% nach Deutschland auswandern. Allerdings herrsche in den deutschen Medien häufig das Klima, dass die deutsche Gesellschaft vor einer Überfremdung stehe, obwohl die Einwanderungsquote zu anderen europäischen Ländern vergleichsweise gering sei.

Demir erläuterte, dass die Vorfahren der Sinti und Roma ursprünglich aus dem Nordwesten des indischen Subkontinents stammen. Aufgrund von Übergriffen, die Roma im Mittelalter erfahren haben, habe eine Auswanderung aus Indien in Richtung Europa stattgefunden. Wegen der breiten geografischen Verteilung der ausgewanderten Roma könne man heute nicht mehr von einer einheitlichen Kultur von Roma sprechen, sondern es herrsche eine kulturelle Pluralität. Daneben sei die Kultur von Roma stark davon abhängig in welcher Region sie leben und welcher Religion sie angehören. Der allgemeine Fixpunkt für die Identität von Roma sei in der Regel die Sprache, sofern sie gesprochen wird, betonte Demir.

Es existieren viele Roma Subkulturen nebeneinander. Die Entstehung von Nationalstaaten hat dazu geführt, dass die Existenz von Subkulturen infrage gestellt wurden und Normalität zu Anomalität wurde.

Merfin Demir

In der Geschichte hätten Roma unzählige unangenehme Erfahrungen gemacht. In Rumänien habe man Roma als Sklaven gehalten, ähnlich wie Afroamerikaner in den USA. Auch habe man Roma in Europa als Feinde der Christenheit diffamiert, weil sie nicht katholisch waren. Die Kirche habe sogar Scheine erstellen lassen, um Roma zu identifizieren und zu verfolgen. Und während des NS-Regimes seien Sinti und Roma gänzlich einem Völkermord ausgesetzt gewesen, so Demir.

Die Wahrung der eigenen Kultur ist mindestens genauso wichtig wie die Wahrung der eigenen Identität.

Merfin Demir

Zum Unterschied zwischen Sinti und Roma sagte Demir: “Sinti sind seit über 600 Jahren in Deutschland ansässig und leben seit jeher hauptsächlich im deutschsprachigen Raum. Roma hingegen leben überwiegend im osteuropäischen Raum. Damit einhergehend sind einige kulturelle Unterschiede vorhanden“.

Abschließend stellte Merfin Demir fest, dass es bei wirtschaftlichen Verstößen Warnbriefe gibt, aber bei Menschenrechtsverletzungen nicht und warf die Frage in den Raum, ob es sich beim Projekt der Europäischen Union um eine Wertegemeinschaft oder doch nur Wirtschaftsgemeinschaft handelt.

Dr. Thomas Lemmen zu Gast im ikult e.V.

(Köln, 03.06.2015) Am Mittwochabend war Dr. Thomas Lemmen, Referent im Referat Dialog und Verkündigung des Erzbistums Köln, zu Gast im Interkultureller Dialog e.V. (ikult) und hielt im Rahmen der Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland“ einen Vortrag zum Titel „Katholisch sein in Deutschland“.

Seinen Vortrag teilte Dr. Lemmen in zwei Bereiche auf. Im ersten Teil ging er auf die Entstehungsgeschichte des Christentums ein und schilderte Kernpunkte des christlichen Glaubens. Dr. Lemmen unterstrich, dass die Beziehung des Menschen zu Gott mit Jesus Christus eine neue Tiefe erlangt habe und Jesus sich für die Armen und Unterdrückten eingesetzt habe. Zudem erklärte Dr. Thomas Lemmen, dass die ersten Christen in Europa Migranten waren. Genau wie das Judentum habe sich auch das Christentum vermutlich im Römischen Reich über die Handelswege ausgebreitet. Man gehe davon aus, dass die ersten Christen Soldaten und Händler waren. Weitere Unterthemen der chronologischen Einführung in die Entstehungsgeschichte des Christentums waren die Unterscheidung des west- und oströmischen Christentums, die Schlacht bei Zülpich, die Krönung Karl des Großen durch den Papst sowie das Wirken angelsächsischer Missionare. 1517 gab es mit der Reformation das erste Mal zwei Erscheinungsbilder des Christentums, so Lemmen. Das Ziel Martin Luthers sei gewesen, der Verweltlichung der Kirche entgegenzuwirken. Die Reformation habe eine konfessionelle Zweiteilung herbeigeführt, dessen Spuren auch heute noch deutlich zu sehen seien.

Im zweiten Teil ging Dr. Thomas Lemmen auf die gegenwärtige Lebenswelt der Christen in Deutschland ein. Hierzu bediente er sich auch aktuellen demografischen Statistiken. In den vergangenen Jahrzehnten sei die Taufenrate stark zurückgegangen, der Anteil der Konfessionslosen stark gestiegen und der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung habe sich von 2,7% auf 5% erhöht. Als Grund für den Zuwachs von Konfessionslosen nannte er unter anderem die Wiedervereinigung, da die Menschen in den neuen Bundesländern vom alten System als konfessionslos betrachtet wurden und diesen Status größtenteils nach der Wende behalten hätten. Daneben sei allerdings nicht zu übersehen, dass sich tatsächlich eine beachtliche Zahl an Menschen von der Kirche abgewandt hat, so Lemmen. Oft sei es der Fall, dass sich Bürger über folgenschwere Ereignisse innerhalb der Kirche aufregen und deshalb beispielsweise keine Kirchensteuer mehr zahlen möchten. Es seien sogar Protestanten vorhanden, die sich über Entscheidungen der katholischen Kirche ärgern und aus der evangelischen Gemeinde austreten. „Wir sind hier als Katholiken auf hohem Niveau mit dem ‚Jammern’“, sagte Dr. Lemmen um zu unterstreichen, dass die Kirche in Afrika unter viel prekäreren und unverhältnismäßigen Bedingungen die Menschen zu erreichen versuchen würden.

PublikumAufgrund der Tatsache, dass unter den Gästen sehr unterschiedliche „Lebens- und Glaubenswelten“ wie Muslime, Konfessionslose etc. vorhanden waren, musste sich Dr. Lemmen vielen Fragen stellen. So fand zum Abschluss des Abends eine angenehme Gesprächsrunde mit interessanten Fragen statt, sodass der eine oder andere Aspekt noch einmal intensiver thematisiert wurde.

13. Internationales Sprach- und Kulturfestival: Farben dieser Welt

IFCL 2015 Germany-1(Dortmund, 30.05.2015) Am Samstagabend fand in der Dortmunder Westfalenhalle das lang ersehnte Finale des 13. Internationalen Sprach- und Kulturfestivals statt. Vor ca. 10.000 Besuchern präsentierten über 300 Kinder aus 35 Nationen, in farbenträchtigen Kostümen und Traditionen, die Vielfalt unterschiedlicher Tänze, Lieder und Gedichte aus aller Welt. Das 13. Internationale Sprach- und Kulturfestival stand unter der Schirmherrschaft von Svenja Schulze, Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW, die auch selbst der Veranstaltung in der Westfalenhalle beiwohnte und ein Grußwort hielt.

Mit dem Slogan „Farben dieser Welt“ begeisterten Kinder und Jugendliche aus den unterschiedlichsten Ländern mit ihren Aufführungen das euphorische Publikum. Ministerin Schulze betonte in ihrem Grußwort die große Leistung der Kinder, die zunächst in ihren Ländern ihr Können unter Beweis stellen mussten, ehe sie am Finale in Dortmund teilnehmen konnten, und lobte die Veranstalter, die es geschafft hätten, Kinder aus unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen zu einem solchen Event in der Dortmunder Westfalenhalle zusammenzubringen.

IFCL 2015 Germany-2„Aus dieser Halle geht eine ganz besondere Herzlichkeit aus. Hier lernen sich Menschen gegenseitig kennen und verstehen. Sie öffnen sich, verbrüdern sich und werden Freunde.“

Svenja Schulze, Ministerin des Landes Nordrhein-Westfalen

Daneben wurde auch eine Grußbotschaft des muslimischen Predigers Fethullah Gülen verlesen. Darin bedankte er sich bei Lehrern, Eltern, Schülern, Veranstaltern sowie Unterstützern und brachte seine Hoffnung für ein friedliches Miteinander zur Sprache.

„Mit euren Stimmen, Worten und Handlungen ruft ihr alle Menschen zu Liebe und Barmherzigkeit auf. Ihr lasst die Feindseligkeiten der Vergangenheit in den Seiten der Geschichtsbücher und lädt sie (die Menschheit) dazu ein, in Freundschaft zu leben, ohne neuen Anlass für Feindseligkeiten zu geben.

Fethullah Gülen

IFCL 2015 Germany-3Bei grandioser Atmosphäre hielt es die Gäste kaum noch auf ihren Plätzen. Somit wurden die meisten Lieder euphorisch mitgesungen, Lichtstrahlen wurden hin und hergeschwenkt und die Darbietungen der Kinder wurden mit großem Beifall geehrt. Im Programm war auch ein Lied von Michael Jackson sowie das Lied „Ein bisschen Frieden“ von Nicole vorhanden, die vom Publikum mit großem Applaus empfangen wurden.

Prof. Gesine Schwan, die 2004 und 2009 für das Amt der Bundespräsidentin kandidierte, erhielt während der Veranstaltung für ihr Engagement im interkulturellen Austausch einen Preis überreicht. Weitere bekannte Gäste der Veranstaltung waren Michelle Müntefering, MdB und Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe im Bundestag sowie die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Ina Scharenbach, die beide eine kurze Rede hielten und die Kinder und Gäste aus aller Welt herzlichst in Nordrhein-Westfalen begrüßten.

Ausgerichtet wurde das 13. Internationale Sprach- und Kulturfestival vom Academy e.V., einem Verein für Bildungsberatung mit Sitz in Frankfurt am Main. Der Interkultureller Dialog e.V. (ikult) unterstützte das Projekt und war einer der Organisatoren der Eröffnungsgala, die zuvor am 28. Mai 2015 im Robert-Schuman-Saal in Düsseldorf stattgefunden hat.

Weitere Informationen zum Konzept des Sprach- und Kulturfestivals finden Sie hier.

Dr. Nadjib Sadikou: Kultur ist dynamisch und wandelbar

(Köln, 20.05.2015) Am Mittwochabend ging die Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten“ in die zweite Runde. Dr. Nadjib Sadikou, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Seminar der Universität Tübingen, hielt in den Vereinsräumlichkeiten des Interkultureller Dialog (ikult e.V.) vor ca. 35 Personen einen Vortrag zum Thema „Transkulturalität“. Gemeinsam mit der ersten Sitzung, in der Dr. Susanne Spülbeck erläuterte „Wie Vorurteile entstehen“, dient der Vortrag von Dr. Sadikou für die Teilnehmer der Gesprächsreihe als eine theoretische Basis für die kommenden Sitzungen, in der verschiedene ‚Lebens- und Glaubenswelten‘ präsentiert werden.

Dağdelen und Sadikou

Hasan Dağdelen und Dr. Nadjib Sadikou

Nachdem Hasan Dağdelen, Geschäftsführer des ikult e.V., die Teilnehmer der Veranstaltung mit freundlichen Worten begrüßte, stellte er den Referenten des Abends mit folgenden Worten vor: „Herr Dr. Nadjib Sadikou stammt aus dem Benin und ist in einem interkulturellen Umfeld von verschiedenen Sprachen, Ethnien und Religionen aufgewachsen. Deshalb ist er als Referent für unsere Gesprächsreihe äußerst geeignet, da diese den Titel ‚Lebens- und Glaubenswelten‘ trägt. Herr Sadikou war im internationalen und interdisziplinären Projekt ‚Wertewelten‘ der Universität Tübingen tätig“, so Dağdelen.

Transkulturalität

In seinem Vortrag stellte Dr. Sadikou das Konzept der ‚Transkulturalität‘ vor. Wolfgang Welsch sei der Wegbereiter von diesem Konzept und erkläre, dass Kulturkreise und Kulturen von gegenseitigen Verwischungen betroffen seien. Das heiße nicht, dass eine Globalkultur im Entstehen begriffen sei, sondern vielmehr, dass Individuen transkulturelle Elemente sowie Bestandteile von ganz unterschiedlichen Kulturkreisen hätten. Deshalb sei jedes Individuum auf eine besondere Weise transkulturell. Dies habe auch mit historischer Entwicklung zu tun, da selbst unsere Ahnen kulturelle Vermischungen erlebt hätten.

Die Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland“ fokussiert sich auf Bereiche, die äußerst interessant sind, da sie gesellschaftliche Entwicklungen unter die Lupe nimmt.

Dr. Nadjib Sadikou

Kultur

In Anlehnung an den Ansätzen von Terry Eagleton und Tzvetan Todorov erläuterte Sadikou, dass Kultur dynamisPublikumch und wandelbar sei, also keineswegs statisch. Zudem seien Kulturen vielfältiger geworden, da die Welt heute vielschichtiger sei als jemals zuvor. Daneben erklärte Dr. Sadikou, dass kulturelle Zuschreibungen unangebracht sind, da sie komplett unzutreffend sein können. So könnten sich ganz andere kulturelle Hintergründe einer Person feststellen lassen, wenn man sie näher begegnet, als die anfänglichen Zuschreibungen es erlaubten. Oft passiere es, dass Menschen sich in ihrer Wahrnehmung irren. Transkulturelle Elemente seien in den Individuen bereits vorhanden, doch diese nehme man oftmals nicht wahr.

Abschließend stellte Dr. Sadikou den Roman „Selam Berlin“ der türkischstämmigen Autorin Yade Kara vor. Das Buch passe gut zur Gesprächsreihe, da es die Wahrnehmung des Anderen thematisiere und ein geeignetes Beispiel für Interreligiosität und Transkulturalität sei. In dem Roman sei der Protagonist Hasan zwischen Berlin und Istanbul, also zwei ganz unterschiedlichen Kulturen, hin und hergerissen und versucht, die beiden Räume ineinanderfließen zu lassen.

Transkulturalität bedeutet, dass Menschen nicht eine, sondern mehrere Zugehörigkeiten haben. Menschen beherbergen verschiedene Facetten der Kultur und Identität in sich.

Dr. Nadjib Sadikou

Anschließend fand eine Fragerunde statt, in der die Teilnehmer eine rege Diskussion über das Konzept der Transkulturalität führten.

Dr. Susanne Spülbeck: Öffentliche Diskurse können Vorurteile reduzieren

(Köln, 21.04.2015) Am Dienstagabend startete die Gesprächsreihe „Lebens- und Glaubenswelten in Deutschland – Die Wahrnehmung des ‚Anderen‘ in unseren Köpfen“, ein gemeinsames Projekt des Interkultureller Dialog e.V. und der Kölner Hochschulvereinigung Young Academics. Zum Auftakt der Gesprächsreihe hielt Dr. Susanne Spülbeck, Ethnologin und Geschäftsführerin des blickwechsel, einen Vortrag zum Thema „Wie entstehen Vorurteile?“ und vermittelte theoretische Grundlagen, die in den kommenden Sitzungen von großer Bedeutung sein werden.

A. Kategorienbildung

Dr. Spülbeck erklärte, dass Kategorien Menschen dabei helfen die Welt in der sie leben zu ordnen. Diese seien erforderlich, um die Welt besser zu verstehen. Demnach würden auch Kinder Wahrnehmungskategorien bilden, um beispielsweise Gefahren zu erkennen und einfache alltägliche Sachen zu verstehen. So könnten Kinder alle Vierbeiner bereits der Kategorie „Tierwelt“ zuordnen. Alles, was in einer Babyflasche ist, könne demnach als „Nahrung“ erkannt werden. Dies führe jedoch auch dazu, dass Kinder leicht daneben liegen können.

Kategorien liefern klare Orientierungen, mit denen man trennen und ordnen kann. Sie fungieren somit als Hilfsmittel, um Dinge besser einordnen zu können.

B. Henri Tajfel

In ihrem Vortrag bezog sich Spülbeck auch auf den britischen Sozialpsychologen Henri Tajfel (1919-1982), der sagt, dass ein rigider autoritärer Charakter zur Vorurteilsbildung neigt, weil dieser gewisse Probleme in der Kindheit hatte. Alle Menschen neigen zu Vorurteilen, weil jeder Kategorien bilden muss, um sich zu orientieren. Als Paradebeispiel könne man die Kategorien Männer und Frauen nehmen, weil durch diese bestimmt werden könne, was typisch männlich und weiblich ist. Irrelevant sei hierbei, ob in anderen Ländern diese Dinge anders definiert werden. Der Kabarettist Ursus Wehrli sagte hierzu, dass es ein menschliches Bedürfnis ist, dass man nach Ordnung und klarer Orientierung sucht. Gerade zu beispielhaft sei, dass man Führungspositionen immer mit schlanken und dominanten Männern in Verbindung bringe. Klischees würden schnell zur Geschlechterrolle werden.

Alle Menschen neigen zu Vorurteilen, weil jeder Kategorien bilden muss, um sich zu orientieren.

C. Soziale Kategorien

Lebens- und Glaubenswelten - GruppendiskussionSoziale Kategorien seien effizient, weil diese Orientierung im Alltag liefern, so Spülbeck. Sie definieren auch die eigene Identität. Hierbei sei zu beachten, dass es verschiedene Identitätskonstruktionen geben könne. Diese Art der Kategorie sei erfahrungsoffen. Das heißt, wenn man beispielsweise einen Fremden näher kennenlernt, könnten sich eigene Stereotypen auch ändern. Automatisch seien mehr Vorurteile vorhanden, wenn man wenig Erfahrungen mit anderen Typen habe.

D. Georg Simmel

Der deutsche Philosoph Georg Simmel (1858-1918) habe sich mit der Frage befasst, welche Rolle Fremde in der Gesellschaft hätten. Fremdheit sei etwas, das mit Mobilität zu tun habe. Der Fremde komme von irgendwo dazu und könne über einen längeren Zeitraum bleiben oder weiter ziehen. Der Fremde sei ein organisches Glied der Gruppe und jede Gesellschaft brauche Personen, die sie als fremd definieren könne, um ihre eigene Identität besser zu definieren und von den anderen zu trennen. Der Fremde sei auch der unabhängigere, denn er bewerte die Verhältnisse vorurteilsfreier und sei in seiner Aktion nicht durch Gewöhnung gebunden. Aus diesem Grund waren die Richter in den italienischen Städten immer zugereiste Juristen, so Dr. Spülbeck. Die Rolle des Fremden gebe uns die Möglichkeit Dinge anders zu sehen und zu tun, als wir es gewohnt seien. In dem Maß, in dem es gelinge, das Fremde fremd sein zu lassen und ihm zugleich einen sicheren Ort in unserer Gesellschaft zu geben, in dem Maß würden wir unsere Gesellschaft als eine stabile erleben. Menschen mit Problemen, anderen Neigungen oder anderen Ideen hätten meist das Problem sich zu outen, weil sie die Angst in sich trugen, von der Gesellschaft nicht akzeptiert zu werden. Je besser es einer Gesellschaft gelinge diese Außenseiter zu integrieren, desto sicherer fühle sie sich.

Fazit

Auf Grundlage der oben beschriebenen Inhalte ist Dr. Spülbeck zu dem Schluss gekommen, dass Vorurteile individuelle Versuche sind, eine klare Orientierung in einer diffusen Welt herzustellen. Deshalb müssten Vorurteile öffentlich ausgehandelt werden. Gesellschaftliche Diskurse über Vorurteile sollten ein akzeptierter Teil des öffentlichen Diskurses werden. Denn die Reduzierung von Vorurteilen sei möglich, wenn klare Orientierungen im öffentlichen Diskurs geliefert werden, so Dr. Spülbeck am Ende ihres Vortrags.

Gesellschaftliche Diskurse über Vorurteile definieren die Lebensqualität in einer Gesellschaft für alle.

Dr. Susanne Spülbeck

Lebens- und Glaubenswelten - Publikum2